Gründung und erste Jahre
Friedrichshafen war um die Jahrhundertwende eine Kleinstadt im Umbruch. Mit dem Luftschiffbau des Grafen Zeppelin begann in der ländlich geprägten Region die Industrialisierung. Unter den Zugezogenen war Erich Hilligardt, studierter Ingenieur und passionierter Geiger. Er war Luftschiff-Konstrukteur und wurde später Direktor des Sauerstoffwerks. Mit Geigenlehrer Albert Heineck, Postrat Zoller aus Tettnang und ZF-Direktor Habermas gründetete er ein Streichquartett. Um dieses Quartett bildete sich ein Kreis von Musikern, die zu kirchlichen und privaten Anlässen sowie in der Villa der Kulturmäzenin Dora Scupin musizierten.
1916 beschlossen sie, ein festes Orchester zu gründen, wenn die Zeiten besser würden. Der Volksbildungsverein unterstützte sie seit 1920. Am 4. Mai 1921 gab das junge Orchester unter der Leitung von Albert Heineck ein „Volks-Sinfonie-Konzert“, mit Mozarts kleiner Nachtmusik und einer Sinfonie von Haydn. Es folgten jährlich zwei Sinfoniekonzerte, Aufführungen mit Chören und Opern. Kassenschlager waren Ende der 20er Jahre „Die Fledermaus“ und „Der Zigeunerbaron“. Im Jahr 1932 stellte die Stadt Anton Elflein als Musikdirektor ein, vorher Gründungsmitglied und erster Geiger beim Philharmonischen Orchester Stuttgart. Er übernahm die Leitung von Sinfonieorchester und städtischer Blaskapelle.
Nazizeit und zweiter Weltkrieg
Ein Jahr später erstreckte sich der totalitäre Anspruch der NSDAP auf den kulturellen Bereich. Entsprechend führte das Orchester im April 1933 „deutsche Komponisten“ auf: Beethoven, Weber und den Fredericus-Rex-Grenadiermarsch von Radeck. Auch Vereine sollten im Zug der Gleichschaltung das „Führerprinzip“ umsetzen. Das Sinfonieorchester folgte dem in einer Mitgliederversammlung im Dezember 1933. Der den Nazis kritisch gegenüberstehende Alfred von Soden, ZF-Mitgründer und Mitspieler in der zweiten Geige, legte seinen Vorsitz nieder. Statt seiner wurde der Ingenieur Kurt Wiederhold gewählt.
Im Januar 1939 wurde der Verein aufgelöst. Mit dem Kriegsausbruch wurden viele Musiker zur Wehrmacht eingezogen, unter ihnen Dirigent Elflein. Die wenigen in Friedrichshafen Verbliebenen spielten ab und zu, etwa bei Betreuungskonzerten für Soldaten. Bei dem Bombenangriff vom 28. April 1944 verbrannten mit dem Saalbau sowohl der traditionelle Aufführungsort als auch Noten, Unterlagen und Instrumente.
Collegium musicum
Nach dem Krieg war Friedrichshafen eine zerstörte Stadt. Musikdirektor Anton Elflein kehrte 1945 aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Im Herbst 1945 fanden sich überlebende Mitglieder, Militärmusiker und Schüler zum gemeinsamen Musizieren zusammen. Elflein leitete die informelle Gruppe, die sich „ColIegium musicum“ nannte. Sie probte projektbezogen im Keller der heutigen Pestalozzischule, spielte Orchestermessen und wirkte bei Kirchenkonzerten mit. Eigene Konzerte gab sie im Verbo-Saal, im Kinosaal des Buchhorner Hofs und ab 1948 in der neuen Turn- und Festhalle.
An der ersten „Kulturwoche Friedrichshafen“ im April 1948 beteiligte sich das Collegium musicum mit Sinfonien von Fritz und Haydn sowie einem Haydn-Cellokonzert. Ab 1950 spielte es zur Eröffnung der jungen IBO. Die Musiker gingen auf Reisen, so führten sie im Sommer 1952 in Ottobeuren Mozarts Krönungsmesse auf.
Die Neugründung des Vereins
Nach Elfleins Pensionierung 1963 stellte die Stadt Paul Bischof als Musikdirektor ein, der den Schwerpunkt auf Barock und Klassik legte. Mit der 1964 beschlossenen Satzung gab es den „Orchsterverein Friedrichshafen e.V.“ auch offiziell wieder. Zum Vorstand gehörte der Tettnanger Versicherungskaufmann Franz Fischer, der 1979 Vorsitzender wurde und den Verein wesentlich prägte. Zum Seehasenfest 1977 studierte das Orchester mit der katholischen Kirchenkantorei die Märchenoper „Schneewittchen“ nach Schubert-Melodien ein. Im nächsten Jahr folgte Adams „Wenn ich König wär‘…“.
1979 kam mit dem neuen Musikdirektor Hanspeter Gmür ein musikalisch äußerst anspruchsvoller Dirigent. Der ehemalige Klagenfurter Opernchef intensivierte das Opernengagement: Mit dem Musiktheater Friedrichshafen gab es mindestens jedes zweite Jahr eine Oper. Am 17.10.1985 eröffneten Musiktheater und Sinfonieorchester mit Glucks „Orpheus und Eurydike“ das Graf-Zeppelin-Haus. Seit 1984 spielt das Orchester jeden Sommer eine Serenade im Tettnanger Schlosshof: unterhaltsame Klassik unter freiem Himmel. Auf dem Programm der Premiere am 14. Juli standen ein Konzert für Flöte und Oboe von Haydn, die Pastorale d‘été von Arthur Honegger und Mozarts Posthorn-Serenade.
Romantik und Reisen
Im September 1992 trennte sich der Verein von seinem musikalischen Leiter und wählte als Nachfolger Musikdirektor Joachim Trost, Musiklehrer am Tettnanger Gymnasium und Leiter der Chorgemeinschaft „Harmonia“, heute „Philharmonischer Chor.“ Er führte das Orchester an Werke der Romantik heran und an ausgefallenere Literatur wie Rimsky-Korsakows Scheherazade oder das Schlagzeugkonzert von Milhaud. Dazu kamen Opern und seit 2009 eine jährliche Kammermusikmatinée im Klostersaal in Weissenau. Um den gestiegenen Anspruch auch im Namen zu dokumentieren, beschlossen die Mitglieder im Frühjahr 2007 eine Umbenennung: Aus „Orchesterverein Friedrichshafen“ wurde „Sinfonieorchester Friedrichshafen e.V..
Das Orchester ging verstärkt auf Reisen. Im Juni 2000 spielte das Orchester Gounods „Cäcilien-Messe“ mit dem Kirchenchor St. Johannes Baptist Albstadt-Lautlingen in Trillfingen und Lautlingen und erntete stehende Ovationen. Es folgen Reisen in Friedrichshafens Partnerstädte Saint Dié (Frankreich), Imperia (Italien) und Delitzsch (Sachsen). Die in drei Besuchen gewachsene Freundschaft mit Saint Dié (Frankreich) zeigt sich im Besuch der Kulturbürgermeisterin von Saint-Dié beim Geburtstagsball des Orchesters im April 2016.